sicher habt Ihr schon mal eine Meldung gelesen, wie „Radfahrerin von Pkw erfasst“ oder „Blitzeis, das zu Unfällen führt“. Diese Meldungen wurden in der Regel fast wörtlich aus Pressemeldungen der Polizei übernommen. Doch sind die Polizeiberichte zu Unfällen wirklich so neutral, wie man es erwarten sollte?
Jan Nordhoff hat dazu eine durch den Deutschen Verkehrssicherheitsrat ausgezeichnete Masterarbeit verfasst und kommt darin zu einigen sehr spannenden Ergebnissen:
- Die Bezeichnung als "Unfall" ist irreführend, da wir Unfälle als etwas Unvermeidbares oder Schicksalhaftes verstehen. Eine ganz klare Verharmlosung, da es sich bei Verkehrsunfällen meist um konkretes menschliches Fehlverhalten handelt. Das ist so schon sehr heikel, da eine korrekte Benennung als Fehlverhalten den Weg für mehr Prävention ebnen könnte.
- Grade Autofahrer werden vom Framing in der Polizeiberichterstattung oft besonders in Schutz genommen. So heißt es oft nicht "Autofahrer überfährt Radfahrerin", sondern "Radfahrerin wird von PKW erfasst". Die fahrende Person und ihr Fehlverhalten rückt in den Hintergrund - stattdessen wird das Auto zum Schuldigen erklärt.
- Hinzu kommt die rege Verwendung passiver Sprache in der Unfallberichterstattung, mit der suggeriert wird, die fahrende Person habe keinen Einfluss auf den Tathergang gehabt. Lediglich das Blitzeis als Ursache anzuführen, ist eine unverhältnismäßige Verharmlosung. Solche Witterungsverhältnisse erfordern ein vorsichtiges Fahrverhalten und die Verantwortung des*der Fahrenden sollte benannt werden.
- Sachschäden werden oft präziser dargestellt als Verletzungen. Während höchstens in leicht bzw. schwer Verletzte und Tote eingeteilt wird, wird der Sachschaden bei einem Verkehrsunfall genau beziffert. Bei der sogenannten Gesamtschadenssumme werden Verletzungen, die häufig ebenfalls hohe Kosten verursachen, nicht berücksichtigt. Die Gesamtschadenssumme ist lediglich die Summe aller Sachschäden. So schreibt die Polizei Bremen am 13. April zum Beispiel von einem "schweren Verkehrsunfall mit hohem Sachschaden".
- Nun könnte man meinen, dass die Polizei zum Zeitpunkt des Verfassens der Pressemeldung, die Unfallursache noch nicht bekannt war, aber Nordhoff zeigt auf, dass zwar bei 83,5% aller Verkehrsunfälle eine Unfallursache klar ist, diese aber nur in 23,2% aller Fälle benannt wird.
Was hat mit Verkehrswende zu tun? Wir brauchen nicht nur den Ausbau des Umweltverbunds aus ÖPNV, Rad- und Fußverkehr und geteilter Mobilität. Verkehrswende ist auch ein Kultur- und Bewusstseinswandel. Diesen braucht es sowohl auf individueller Ebene, als auch bei den Verantwortlichen in Politik und Behörden, die Maßnahmen für mehr Sicherheit im Straßenverkehr ergreifen müssen. Um das zu erreichen, dürfen die Gefahren, die vom Autoverkehr ausgehen, nicht mehr medial und durch die Polizei verharmlost werden.
Themenwechsel: Vor drei Wochen haben wir eine Artikelserie zum Expresskreuz Bremen Niedersachsen begonnen. Die Pläne für den Ausbau und die Verbesserung des Expresskreuzes verzögern sich und erweisen sich in mancherlei Hinsicht als Verschlimmbesserung. Im 2. Teil widmen wir uns heute den Lieferverzögerungen der neuen Regionalexpresszüge und dem Umgang damit.
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